André Adami von bulwiengesa hat eine Studie zum Wohnungsmarkt in Berlin erstellt. Darin stellt er dar, was die Berliner Senatsverwaltung tun müsste, um den Neubau nachhaltig anzuschieben. Dabei fordert er unter anderem eine Strafgebühr, falls hinter einer Baugenehmigung keine ernsthafte Bauabsicht steht.
Redaktion: Sind die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geplanten 14.000 Wohnungen pro Jahr bis 2030 ausreichend, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden?
Adami: Nein, wir gehen in unserer Prognose davon aus, dass jährlich 19.000 neue Wohnungen entstehen müssten, um die Nachfrage zu decken. Die von der Senatsverwaltung angesetzten 14.000 Wohnungen werden nicht ausreichen. Es darf ja auch nicht vergessen werden, dass die Leerstandsrate aktuell bei 1,6% liegt. Somit können im Bestand kaum noch Reserven gehoben werden.
Redaktion: Und wie sieht es bei den preisgedämpften Wohnungen aus?
Adami: Die Anzahl an geförderten Wohnungen nimmt in Berlin zu. Aktuell gibt es etwa 75.000 Wohnungen, die allerdings bis 2027 komplett aus der Belegungsbindung fallen. Um diese Wohnungen zu ersetzen, müsste die bisher vom Senat angestrebte Menge auf jährlich 10.000 Einheiten verdoppelt werden.
Redaktion: Welche negativen Auswirkungen hat der Wohnungsmangel auf den Wirtschaftsstandort Berlin?
Adami: Durch den angespannten Wohnungsmarkt fällt es insbesondere Familien mit Kindern, aber auch Senioren immer schwerer, passenden, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Daher verwundert es nicht, dass sich die Zahl der Fortziehenden aus Berlin in das Brandenburgische Umland in den vergangenen fünf Jahren auf mehr als 10.000 Einwohner jährlich verdoppelt hat und sich der Zuzug nach Berlin gerade abschwächt.
Die positive Einwohner- und Beschäftigungsentwicklung Berlins wird durch den Wohnungsmangel gebremst. Das einst wachstumsfördernde Standortmerkmal von günstigem und verfügbarem Wohnraum ist kaum noch vorhanden. Das hat zur Folge, dass sich die Bedingungen für Unternehmen verschlechtert haben, sich in Berlin anzusiedeln.
Redaktion: Mit welchen Maßnahmen könnte Berlin den Wohnungsbau am effektivsten ankurbeln?
Adami: Da gibt es viele sinnvolle Maßnahmen. Am wichtigsten ist es, die Planungs- und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Es sollte immer geprüft werden, welcher und ob ein B-Plan notwendig ist. Gegebenenfalls können auch ein vereinfachtes Bebauungsplanverfahren oder ein Bebauungsplan der Innenentwicklung zur Anwendung kommen. Die Behörden sollten viel großzügiger Abweichungen und Befreiungen von B-Plan-Festsetzungen bzw. bei Beurteilung nach§ 34 BauGB zulassen. Bei Nachverdichtungen wie Innenhofbebauung oder Dachgeschossausbau sollte eine vereinfachte Zulässigkeitsprüfung stattfinden. Außerdem ist das Grundstücksangebot durch Umwandlung von gewerblichen Arealen in klassische Wohnquartiere oder ehemaligen Infrastrukturflächen zu wohnungswirtschaftlichen Flächen zu erhöhen.
Redaktion: Laut Senatverwaltung dauert ein normales Bebauungsplanverfahren 36 Monate. Entspricht das aus Ihrer Sicht der Realität?
Adami: Nein, die von der Senatsverwaltung angestrebten Verfahrenszeiten werden in der Regel deutlich überschritten. Im gesamten Betrachtungszeitraum 1998 bis 2018 lag die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei 95 Monaten. Das sind 7,9 Jahre. Die im Jahr 2017 festgesetzten Bebauungspläne wurden im Schnitt innerhalb von 145 Monaten bearbeitet. Das sind sogar 12,1 Jahre.
Redaktion: Wie förderlich ist das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung aus Ihrer Sicht für den Wohnungsbau in Berlin?
Adami: Das Berliner Modell führt zu höheren Kosten bei Bauvorhaben, macht die Realisierung komplexer und freifinanzierte Wohnungen deutlich teurer. Die langen Bebauungsplanverfahren und Genehmigungszeiten in Berlin schrecken ebenfalls ab. Das führt dazu, dass viele Investoren mittlerweile Gewerbeimmobilien bevorzugen. Das zeigt sich an den steigenden Projektentwicklungszahlen im Gewerbesegment. Es sollte hinterfragt werden, wie notwendig ergänzende Gutachten, Schutzmaßnahmen und Verfahrensschritte sind, um eine Baugenehmigung zu erlangen.
Redaktion: Sie schlagen eine Strafgebühr vor, falls auf einem unbebauten Grundstück nicht innerhalb von drei Jahren angefangen wird zu bauen. Wie begründen Sie diesen Vorschlag?
Adami: Zurzeit werden viele Baugenehmigungen erlangt, um für das unbebaute Grundstück einen höheren Verkaufspreis zu erzielen. Mit dieser Spekulation mit Baugrundstücken wird die Verwaltung unnötig belastet. Daher schlagen wir vor, dass der Baustart innerhalb eines festzulegenden Zeitraums erfolgen muss, sobald die Baugenehmigung vorliegt. Dieser Zeitraum könnte sich an der Gültigkeit der Baugenehmigung orientieren und drei Jahre betragen. Wenn nicht gebaut wird, fällt eine Strafgebühr an. Das sollte natürlich nur gelten, wenn die Verzögerung durch den Bauträger verschuldet wurde.
Redaktion: Herr Adami, vielen Dank für das Interview.
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